64
Wir sind auf Gedeih und Verderb der wohlmeinenden Kooperation des unbewussten Geistes ausgeliefert. In gewisser Weise erfindet das Unbewusste für uns den nächsten Augenblick.
Grundsatz der Bene Gesserit
Als Anirul erwachte, stellte sie fest, dass die Medizinschwester ihr regelmäßig Medikamente verabreicht hatte, um sie vor dem Lärm der inneren Stimmen zu schützen.
»Gute Gesichtsfarbe, wache Augen. Ausgezeichnet, Lady Anirul.« Yohsa lächelte sanft und beruhigend.
Anirul schaffte es, sich auf dem Bett aufzusetzen, und kämpfte gegen einen Schwächeanfall. Sie fühlte sich beinahe wieder gesund. Vorläufig.
Margot Fenring und Mohiam kamen ins Schlafzimmer geeilt. Ihre besorgten Mienen hätte ihnen einen ernsten Tadel eingebracht, wenn es Anirul besser gegangen wäre.
Margot änderte die Polarität des Filterfelds vor einer Terrassentür und ließ helles Sonnenlicht in den Raum. Anirul hielt sich eine Hand vor die Augen und setzte sich gerader, damit die warmen, goldenen Strahlen ihre Haut erreichten. »Ich kann mein Leben nicht in Dunkelheit verbringen.«
Dann erzählte sie ihren aufmerksamen Zuhörerinnen vom Albtraum, in dem sie ein Wüstensandwurm gewesen war, der vor einem unsichtbaren und unbekannten Verfolger floh. »Ich muss herausfinden, was dieser Traum bedeutet, solange ich noch eine frische Erinnerung an den Schrecken habe.« Ihre Gesichtshaut fühlte sich allmählich heiß an, als hätte sie durch ihre Vision einen Sonnenbrand erlitten.
Die Medizinschwester wollte ihr den Mund verbieten, aber Anirul scheuchte sie hinaus. Yohsa runzelte missbilligend die Stirn und ließ sie mit den zwei anderen Schwestern allein. Sie schloss die Tür etwas lauter, als nötig gewesen wäre.
Anirul trat barfuß auf die Terrasse hinaus. Doch sie wich nicht vor der Hitze der prallen Sonne zurück, sondern stand nackt und unbefangen da, während ihre Haut die Strahlen absorbierte. »Meine Reise führte mich bis zum Rand des Wahnsinns und wieder zurück.« Sie verspürte ein seltsames Verlangen, sich in ... heißem Sand zu wälzen.
Die drei Schwestern traten neben einen Eterna-Rosenstrauch auf der Terrasse. »Träume werden stets durch bewusste Ereignisse ausgelöst«, zitierte Mohiam eine Weisheit der Bene Gesserit.
Nachdenklich pflückte Anirul eine winzige Rose aus dem Strauch. Die empfindsame Blüte zuckte zusammen, als sie sie zur Nase führte, um den feinen Duft zu riechen. »Ich glaube, es hat etwas mit dem Imperator zu tun, mit dem Gewürz ... und Arrakis ... Haben Sie schon einmal von einem Projekt Amal gehört? Eines Tages betrat ich das Arbeitszimmer meines Ehemannes, als er gerade mit Graf Fenring über dieses Thema sprach. Sie stritten sich über die Tleilaxu. Beide verstummten sofort, als würden sie sich ertappt fühlen. Shaddam sagte mir nur, ich sollte mich nicht in Staatsangelegenheiten einmischen.«
»Alle Männer verhalten sich seltsam«, stellte Mohiam fest. »Das ist seit langer Zeit bekannt.«
Margot runzelte die Stirn. »Hasimir versucht mir die Tatsache zu verheimlichen, dass er sich häufig auf Ix aufhält, und ich habe mich schon oft nach dem Grund gefragt. Erst vor einer Stunde hat er mir ein Kleid ruiniert, das ich eigens für ihn angezogen hatte. Er schlug mir eine Tasse mit Gewürzkaffee aus der Hand, bevor ich davon trinken konnte, als wäre sie vergiftet gewesen. Ich habe den Kaffee mit Melange zubereitet, die ich in einem Geheimfach seines Koffers gefunden habe.« Sie kniff leicht die Augen zusammen. »Das Gewürz befand sich in einem Beutel, der ein Zeichen trug, den Buchstaben ›A‹ des Tleilaxu-Alphabets. Vielleicht steht er für Amal?«
»Der Imperator hat still und heimlich Truppen nach Ix geschickt und dem Landsraad diese Information vorenthalten. Fenring ... Ix ... die Tleilaxu ... Melange«, sagte Anirul. »Das verheißt nichts Gutes.«
»Und Shaddam hat allen Gewürzhamsterern den Krieg erklärt«, setzte Mohiam hinzu. Selbst in der Helligkeit des Tages schienen sich tiefere Schatten in ihrem runzligen Gesicht zu bilden. »Alle Wege führen zum Gewürz.«
»Vielleicht ist der Sandwurm in meinem Traum vor einem Sturm der Rebellion im Imperium geflohen.« Anirul, die immer noch nackt in der Sonne stand, überblickte die Palastanlage. »Wir müssen sofort mit der Mutter Oberin in Kontakt treten.«